In vielen Büchern wird die Umsetzung von Aikido ins tägliche Leben thematisiert, zu meinem Leidwesen meist auf philosophischer Basis ohne konkret zu werden. Das ist für ein meist sehr allgemein gehaltenes Buch wohl auch nicht ganz einfach. Mir ist jedoch in einem Konflikt ein Gedanke dazu gekommen.
Wenn ich als Lehrer auf der Matte für Anfänger einen Ude-osae gegen Katate-tori ai-hanmi zeige weise ich gerne darauf hin, dass beim Heben der Hand die Tegatana des Nage gestreckt sein sollte und die des Uke gebeugt. Damit befindet sich der Kontaktpunkt der Hände nämlich im "Tanzbereich" des Uke und nicht in dem des Nage. Ich erkläre das gerne mit den Worten: "Jetzt hat mein Partner das Problem, nicht ich!". Bei einer friedfertigen Kampfkunst wie Aikido ist die Gefahr gegeben, es seinem Partner generell zu angenehm zu machen. Das soll aber nicht so sein. Ich bin immer für Gleichberechtigung, aber nicht im Aikido :-) Nage muss während der Technik sowohl agieren als auch reagieren können. Deshalb ist es wichtig, das Gleichgewicht des Uke frühstmöglich zu stören und sein eigenes zu behalten. Jetzt ist Uke zum reagieren gezwungen ... und darauf kann Nage ebenfalls wieder reagieren.
Letztens bei einem Besuch in einer Autowerkstatt hatte ich eine leichte Meinungsverschiedenheit mit der Dame hinter dem Empfangstresen (das Wort "Theke" hören die meisten angestellten im Dienstleistungsgewerbe nicht so gern). Sie präsentierte mir eine Rechnung nach einem kurzen Check-up meines Gefährts, wobei ich das Gespräch wenige Stunden vorher so verstanden hatte, dass das reine Anschauen der Sachlage gratis sei Jetzt aber wollte sie davon nichts mehr wissen sondern verlangte knappe 30 € für die Fehlerdiagnose - bei der nichts brauchbares rausgekommen ist. Ich habe ihr sehr deutlich zu verstehen gegeben, dass ich diese Rechnung für eine Unverschämtheit halte. Ich war fest entschlossen mich wegen dieser Rechnung zu beschweren - paradoxerweise bezahlte ich sie aber erstmal. Ok, jetzt handelte es sich um einen Betrag, der mich nicht umbringt. Es ging mir ums Prinzip und ich war verärgert über die Art, wie man mich behandelt hat. Aber ich habe das oben beschriebene Aikidoprinzip nicht angewandt. Durch das Bezahlen der Rechnung war ich in die Defensive geraten. Jetzt war es an mir mich zu Beschweren und wieder auf eine Reaktion der Werkstatt zu warten. Die wiederum war in der komfortablen Position, dass sie bekommen hatte was sie wollte - nämlich mein Geld.
Was lerne ich daraus: Sollte mir das nächste Mal eine Rechnung präsentiert werden die ich für ungerechtfertigt halte, so werde ich diese erst einmal nicht bezahlen. Dann hat mein Gegenüber das Problem, nicht ich!
Autor: Patrick David